MODEMACHERIN ANNETTE GÖRTZ UND IHR MANN HABEN SICH IN DEIÀ DEN TRAUM VON EINEM RÜCKZUGSORT MIT BLICK AUF MEER UND GEBIRGE ERFÜLLT.
von DAGMAR HAAS-PILWAT
Eigentlich mangelte es nur an einer Gäste-Toilette. Ansonsten war das Haus perfekt – eigentlich. Denn wenn Annette Görtz anfängt zu planen, dann wird daraus schnell ein größeres Projekt. Das war damals so, als sie zusammen mit ihrem Mann Hans-Jörg Welsch in Langenberg die weiße Villa aus der Gründerzeit mitten in einem riesigen Park mit über 100 Jahre alten Bäumen gekauft und komplett umgebaut hat. Und natürlich ist es auf Mallorca in dem Haus in Deià nicht bei einem Gäste-WC geblieben. Auf 180 Quadratmeter Größe ist der Anbau angewachsen, der nach den Plänen und eigenen Entwürfen der Modemacherin gemeinsam mit den spanischen Architekten vor Ort realisiert wurde.
Wieso haben sie sich als zweiten Wohnsitz ausgerechnet Mallorca ausgesucht? „Na ist doch klar, hier ist das Wetter besser, die Sonne scheint definitiv öfter als in Ostwestfalen und man ist schnell auf der Insel“, sagt die erfolgreiche Unternehmerin. Und weil die Familie in den vergangenen Jahren schon mehrmals Ferienhäuser in Deià und Umgebung gemietet hatte, wurde nicht lange gezögert, als der Vorbesitzer – ein Amerikaner, der keine Lust mehr auf 25 Flugstunden zum Urlaubsort hat, – das im typisch-rustikalen Mallorquiner Stil gebaute Anwesen zum Verkauf anbot.
„Wir haben uns sofort verliebt“, sagt Görtz. „Das Haus liegt versteckt in einem Pinienwäldchen und ist so nicht einsehbar. Privatsphäre so weit das Auge reicht. Im Rücken haben wir die Gebirgskulisse und das Wunderbare ist: Von jedem Raum sind das Meer, das kristallklare Wasser und die halbkreisförmige Felsenbucht, die Cala Deià, zu sehen.“ Diese Weite und Magie empfinden beide als Balsam für die Seele. „Ich brauche Licht und Großzügigkeit, sonst fühle ich mich eingeengt. Meine Mutter sagt, so war ich schon als Kind“, erzählt die Kreative.
Die Räume sind hoch und aus Naturstein, die Fenster reichen von der Decke bis zum Boden. Der Görtz-Stil ist zurückhaltend-dezent – in allen Lebenslagen. Gelebt wird mit dem, was gefällt. Trends und Marken spielen dabei kaum eine Rolle. „Die Einrichtung ist reduziert und in Naturtönen gehalten. So holen wir die Natur in unser Haus und lassen sie entsprechend wirken.“ Natürlich hängt Kunst an allen Wänden und Skulpturen stehen im Raum. Das Kreativ-Paar aus Ostwestfalen braucht zum Leben die Gegensätze und das Individuelle.
Die Frau mit dem lockigen, schwarzen Haar, durch das sich eine dicke weiße Strähne zieht, macht nur das, was ihr wirklich gefällt – privat und geschäftlich. Die Diplom-Designerin vertraut kompromisslos ihrer puristischen Handschrift. Für das Dekorative ist eher ihr Mann zuständig, der seit der Gründung der Görtz-Welsch-Modedesign GmbH 1991, also vor genau 26 Jahren, auch die Geschäfte führt. Sie erfindet, er vermarktet – die zwei sind ein starkes Team.
Was ist denn ihr Lieblingsplatz in dem neuen Haus? „Ganz klar die Küche: Hier wird gelebt, gekocht, gegessen und gerne gefeiert.“ Die Küche ist der Treffpunkt für Familie und Freunde. Hier regiert Annette Görtz, die Köchin aus Leidenschaft. Hier kocht sie ohne High-Tech, dafür mit herrlichem Sonnenuntergang. Bohnen zu schnibbeln oder in der Pastasauce zu rühren, bedeuten ihr Entspannung pur. „Außerdem ist es viel einfacher, Leute in Deià zusammenzubringen als bei uns in Ostwestfalen. Denn nach Mallorca fliegt jeder gern mal eben.“
Das Paar versucht, so viel Zeit wie möglich auf Mallorca zu verbringen und an diesem Rückzugsort vor mediterraner Kulisse zu entspannen, das Leben leben. „Ich kann hier auch gut arbeiten. Dann sitze ich mit dem iPad auf der Terrasse, kommuniziere per Facetime mit der Firma und genieße dabei die Aussicht auf die Wellen mit ihren Schaumkronen“, erzählt die Hausherrin. Sie ist ein Multi-Talent, das eigentlich Pianistin werden wollte. Warum sie Mode macht, weiß sie bis heute nicht so genau. Schließlich gewann sie mit sechs Jahren den Wettbewerb „Jugend musiziert“. Doch auf Dauer war ihr Klavierspielen nicht kreativ genug und zum Komponieren hat es nicht gereicht. Also fing sie an zu nähen.
Von Beginn an pflegt sie ihre ganz eigene Arbeitsweise: „An erster Stelle steht immer das Material. Ich zeichne nie. Ich muss fühlen, den Stoff in die Hand nehmen und schauen, wie er fällt. Dann falte ich mit Papier, was zu Stoff und Körper passt“, erklärt sie. Und so stoffberauscht harmonisch wie ihre Kollektionen, so klar die Schnitte, so reduziert die Farbpalette, so viel Wohlgefühl strahlen auch ihre privaten Domizile aus.
Deià gefällt den beiden auch deshalb, weil man im rauen imposanten Tramuntana-Gebirge so wunderbar wandern kann. „Wir sind viel mit Jo, unserem Hund, unterwegs“, heißt es. Und natürlich hat das Bergdörfchen seinen unverwechselbaren Charme. „Wir brauchen hier kein Auto, alles ist fußläufig und die schönsten Buchten sind per Boot zu erreichen.“
Die Familie, dazu gehört auch Sohn Maximilian (er hat vor kurzem seinen Master in Mode-Design in Antwerpen gemacht), lieben das Dorfleben. Man trifft sich auf dem Platz mit den Einheimischen, es gibt Läden mit allem, was für den alltäglichen Bedarf notwendig ist. Da sind Fischrestaurants wie das Sa Foradada und das Café Sa Fonda, wo sich vom Kleinkind bis zu den Großeltern jeder versammelt. Es geht beschaulich zu. Waren es früher vor allem die Künstler, die sich magisch angezogen fühlten von der Umgebung rund um Deià, sind es heute immer mehr Modeleute und Designer, die das einmalige und romantische Zusammenspiel von Wasser, Grün und Berge zu schätzen wissen.
„Wir sind viel auf Reisen zu den Stoff- und Modemessen, da braucht man eine Tankstelle für die Seele,“ sagt Annette Görtz. Und natürlich Kraft für die kommenden Projekte. Denn das Paar steht nicht gerne still. Auf den Ausbau in Deià folgt die Erweiterung der Firma im heimischen Gütersloh. Keine Frage, dass wieder alles selbst geplant und bis ins Detail entworfen wird.