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Hotellerie schlägt Alarm

DIRK ISERLOHE, AUFSICHTSRATSCHEF DER HOTELGRUPPE DORINT IM INTERVIEW: DIE BUNDESPOLITIK MUSS GEFAHR VON MASSENINSOLVENZEN WEGEN FALSCHER WEICHENSTELLUNGEN ENDLICH ABWENDEN

von PETER LAMPRECHT
DIRK ISERLOHE, AUFSICHTSRATSSCHEF HOTELGRUPPE DORINT
DIRK ISERLOHE, AUFSICHTSRATSSCHEF HOTELGRUPPE DORINT

MYILANDS: Nach dem Lockdown im Frühjahr überschlagen sich nun die Ereignisse erneut, fast ganz Europa ist Risikogebiet. Wie geht es der Hotelbranche?
DIRK ISERLOHE: Nun stehen fünf schwere Monate vor uns. Für die Hoteliers werden diese Monate den Lackmustest der Überlebensfähigkeit einleiten. Der Stresstest wird nicht nur an die Zahlungsfähigkeit, sondern für Kapitalgesellschaften auch an die Kapitalerhaltung angelegt werden Die Frage ist, wer schon in seiner Planung im späten Frühjahr von niedrigen Belegungsraten in den Monaten November bis März ausgegangen ist und die entsprechende Liquidität vorhalten konnte. Ansonsten wird man darauf angewiesen sein, erneut KfW-Mittel zu beantragen, mit seinen Verpächtern zu sprechen oder aber Eigenkapital zuzuführen.

Und wie ist Ihre Hotelgruppe aufgestellt?
Wir gehen davon aus, dass der Winter nochmals schlimmer wird, und wir bereiten uns auf eine weitere Kurzarbeitsphase vor. Wir werden jetzt eine Kapitalerhöhung der Muttergesellschaft, der HONESTIS AG, in Höhe von 16 Millionen Euro durchführen, so dass wir für die Risikophase einen entsprechenden Puffer in Zusammenarbeit mit notwendigem Verzicht der Verpächter bilden können.

Gibt es regionale Unterschiede in der Branche?
In der Tat muss man regionale, aber auch funktionale Unterschiede von Hotel zu Hotel in der Beurteilung der Überlebensfähigkeit beobachten. Am stärksten sind die städtischen Messestandorte betroffen, gefolgt von den reinen Businesshotels. Profitieren, aber nicht etwa gewinnbringend, können die Standorte, die Touristen beherbergen, wie bei uns etwa herausragend Sylt, Binz, Wustrow, Usedom oder Garmisch. Auf das Jahr betrachtet lassen sich hier aber weder der „Lockdown“ noch die Belegungsausfälle durch den nun bestehenden – täglich größer werdenden – „Flickenteppich“ der Risikogebiete in Deutschland kompensieren. Es bleibt dabei, dass wir mit der Dorint-Gruppe dieses Jahr statt der geplanten 256 Millionen Euro nur ca. 110 Millionen Euro Umsatz erzielen können.

Der Söl'ring Hof ist Flaggschiff der Hotelgruppe auf Sylt © HONEStiS AG
Der Söl’ring Hof ist Flaggschiff der Hotelgruppe auf Sylt © HONEStiS AG

Sie identifizieren die unveränderten Pachtkosten bei halbiertem Umsatz als größte Bedrohung der Lebensfähigkeit von Hotels. Ihre Forderungen an den Staat hat kürzlich Roland Mischke in der WELT dargestellt – gibt es dazu inzwischen Reaktionen, oder halten Sie ein Update für nötig?
Leider gibt es von der Regierung keine Reaktion auf meine mittlerweile 18 Briefe. Der 19. ist aufgrund des drohenden neuen „Lockdowns“, mit dem ich ab Anfang November rechne, in Arbeit. Ein erneuter Hilferuf für die am stärksten betroffenen Branchen ist von Nöten.

Was genau zwingt Sie zum Nachsetzen in Berlin?
Seit dem 10. März und über den heutigen Stichtag hinaus hat die Pandemie eine so gigantische Auswirkung, dass jetzt schon absehbar ist, dass die Hotelbranche zwischen dem 10- bis 15-fachen des absoluten Gewinns des Vorjahres in diesem Jahr als Verluste einfahren wird. Als Gegensteuerungsmaßnahme wurde für Mieter und Pächter ein bloßer Kündigungsschutz für nicht gezahlte Pachten der Monate April bis Juni gewährt. Diese sind aber bis zum 30.06.2022 – aus welchen Erträgen auch immer – zurückzuzahlen. Die meisten Auguren gehen jedoch davon aus, dass sich die Hotellerie und Gastronomie nicht vor 2024 bis 2026 normalisiert haben wird. Vollstreckungen, Verzinsungen und das Beanspruchen von gestellten Sicherheiten sind nicht vom Gesetzgeber mit dem Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ausgeschlossen worden. Eigentümer schließen daraus, dass die Mieten und Pachten fällig bleiben. Wenn die Politik also glaubt, uns geholfen zu haben, so irrt sie.

Was ist die Folge?
Die Folge wird nun sein, dass die (aus meiner Sicht wegen des § 313 BGB . Störung der Geschäftsgrundlage) geschuldeten Pachten oder Mieten nicht zeitgerecht gezahlt werden können. Das führt wahrscheinlich zu Insolvenzen. Ich denke, dass die Branchen Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel, Messe, Kunst und Event, die über sechs Millionen Arbeitnehmer beschäftigen, keine Chance haben werden, diese Herausforderungen aus eigener Kraft zu meistern. Es ist zudem ungerecht, dass das Risiko allein bei den Nutzern liegen soll, währenddessen die Eigentümer ihre Gewinne in Zeiten der Pandemie behalten dürfen. Das Pendel zu Lasten der Nutzer wurde einseitig durch die Bundesregierung angestoßen. Dies gilt es zu korrigieren, wenn man nicht verantwortlich für Masseninsolvenzen sein will.

Wenn die Lage dramatisch bleibt, welche unternehmerischen Alternativen gibt es überhaupt noch für Hotelunternehmen?
Die Betreiber – also auch wir bei Dorint – müssen darauf vorbereitet sein, folgende Maßnahmen umzusetzen: (i) Pachtreduktion im Einvernehmen, (ii) Klagen auf Pachtreduktionen im Sinne des § 313 BGB, (iii) Trennung von Standorten, die auch nach Corona noch große Schwierigkeiten aufgrund des geänderten Verbraucherverhaltens haben werden, (iv) die „passive“ Neuaufnahme von guten Standorten, die leider von Mitbewerbern aufgegeben werden mussten (passiv seitens Dorint nur im Einvernehmen mit dem vorherigen Pächter) und (v) die Kooperation mit anderen Hotelgesellschaften, um Synergien zu suchen.

Sie persönlich stehen nach 9/11 und Weltfinanzkrise erneut ganz vorn im Feuer für Dorint und die Hotellerie allgemein. Sehen Sie Corona als Ausgangspunkt fürs letzte Gefecht, oder gibt es trotz allem hoffnungsvolle Ansätze?
Ich hatte eigentlich gehofft das letzte Gefecht schon geführt zu haben. Mit der Gründung der HONESTIS AG im Jahre 2016 und der vollständigen Sanierung und Stabilisierung der Dorint Gruppe im Jahre 2015 zuvor, glaubte ich, die Phase der vorbereitenden Übergabe an die nächste Generation eigenleitet zu haben. Die Coronakrise hat einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Es ist nun erforderlich, dass ich in vorderster Reihe erneut mit den Erfahrungen aus 9/11 und den Finanz- und Wirtschaftskrisen die Unternehmensgruppe auf einen vernünftigen neuen Pfad führe. Die Eigenkapitalsituation von ca. 80 Millionen Euro in der Hotelsparte, die wir im Jahr 2019 gebildet hatten, sollte ausreichen, um die Fortführungsprognose erfolgreich zu formulieren. Ich gehe davon aus, dass Dorint nicht als „Gewinner“, wohl aber als stabiler, verlässlicher und nachhaltiger Betreiber aus dieser Krise hervorgeht. Ich werde alles dazu beitragen, dass wir uns auf die neuen Märkte, die gerade entstehen, vorbereiten und ausrichten. Die Übernahme des 61. Dorint-Hauses am Berliner Kurfürstendamm zum 1. November 2020 ist dafür ein Beispiel. Ich bin davon überzeugt, dass hohe Service Qualität und Sicherheit für die Gäste in der Zukunft von großer Bedeutung sein werden. Von daher fühle ich mich in dem Segment der Vier-Sterne-Hotellerie sehr gut aufgehoben.

Der Krisenbewältiger aus Köln gibt nicht auf

Zur 60-Jahrfeier seines Hotelkonzerns dürfte der Kölner Diplomkaufmann Dirk Iserlohe, 56, die Schwester des früheren US-Präsidenten Barack Obama begrüßen. Die Germanistin, Soziologin und Autorin Dr. Auma Obama aus Kenia war Ehrengast der mit 60 Hotels und ihren 4.500 Beschäftigten zweitgrößten und zweitältesten deutschen Hotelgruppe in privater Hand. Das glanzvolle Ereignis mit ca. 6.000 Gästen – live vor Ort am Unternehmens-Sitz und in allen Hotels zugeschaltet – fand im September letzten Jahres statt. In einer völlig anderen Zeit, wie es heute scheint.

Ehrengast Auma Obama (Mitte) mit Heike und Dirk Iserlohe beim Jubiläum in Köln © HONEStiS AG
Ehrengast Auma Obama (Mitte) mit Heike und Dirk Iserlohe beim Jubiläum in Köln © HONEStiS AG

Seit dem Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 kann sich der damalige Gastgeber Iserlohe nicht mehr mit vergangenen Erfolgen befassen. Als Dorint-Aufsichtsratsvorsitzender wie als Chef der Eigentümergesellschaft und Finanzholding Honestis AG kämpft er nun ums Überleben einer ganzen Branche. Die Situation der Hotellerie beschrieb Iserlohe kürzlich in der WELT mit einem plastischen Bild: „Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto, aber an der Tankstelle gibt es keinen Sprit mehr. Das ist unsere Situation. Sie führte zum Wegfall unserer Geschäftsgrundlage“. Politik-Ideen wie das inzwischen von Gerichten „gekippte“ Beherbergungsverbot und die Sperrstunde erschweren der Branche das Leben zusätzlich.

Dirk Iserlohe gehört zu ihren findigsten Köpfen. Der 56jährige Rheinländer ist privat Mallorca-Verehrer und häufiger Sylt-Besucher. Johannes Kings Söl´ring Hof aus der Dorint-Gruppe ist Lieblingsrefugium für ihn und seine Frau, die Kölner Künstlerin Heike Iserlohe. Als Krisenbewältiger für Dorint seit der Hotelkrise nach dem Terrorangriff auf das World Trade Center 2001 und nach den Weltfinanzkrisen bewährt – schrieb Iserlohe seit dem Corona-Lockdown inzwischen 18 Briefe an die Kanzlerin und den Wirtschaftsminister. Dabei ging es vor allem um den dringlichen Vorschlag, unter gesetzlichem Schutzschirm eine Teilung der Pachtkosten zwischen Pächtern und Eigentümern zu ermöglichen. Denn die Nutzung des Mietgegenstandes werde „verhindert durch gesetzliche Verordnungen, deren Norm auch noch falsch ist“, sagte Iserlohe im Gespräch mit Roland Mischke in der WELT.

Beherbergungsverbot abgewiesen – Erleichterung im Dorint-Strandhotel Binz auf Rügen

Dorint erlebte für zwei Monate einen fast totalen Umsatzeinbruch. 75 Prozent der 4.500 Beschäftigten gingen in Kurzarbeit. Das Unternehmen soll seit dem Ende des allgemeinen Corona-Kündigungsschutzes am 30. Juni in der Mehrzahl der Fälle wieder Hotelpachten in voller Höhe zahlen, während der Umsatz weit unter Normalhöhe bleibt. Aktuell rechnet man mit einem Ausfall von 150 Millionen Euro beim Umsatz. Müsste die Gruppe alle Pachten zahlen, so beliefe sich in 2020 der Verlust wahrscheinlich auf ca. 55 Millionen Euro, statt eines Gewinns in 2019 von etwa fünf Millionen. Wenn sich Pächter und Verpächter auf eine Halbierung dieser Last einigen könnten, wäre dies eine gerechte Lösung, für die sich Iserlohe einsetzt. Ferner führt Iserlohe staatliche Entschädigungsprozesse, da er davon ausgeht, dass ein Schadenersatzanspruch gegen die Bundesländer besteht.

Iserlohe ist aber kein Corona Leugner, sondern jemand der die Verordnung der Gesundheit wegen streng beachtet. Allerdings ist er auch ein Verfechter dafür, dass den Branchen, die Sonderopfer leisten müssen, auch Gerechtigkeit widerfahren muss.

Der Hotelunternehmer hat trotz allem seine Zuversicht und Weitsicht nicht verloren. Vor gut zwei Wochen pachtete er für Dorint mit verantwortungsbewussten Konditionen das bisherige „Sofitel“ am Berliner Kurfürstendamm gegenüber dem Kranzler-Eck. Beschäftigte der bisherigen Betreibergesellschaft wurden übernommen. Seit dem 1. November ist das “Dorint Berlin Kurfürstendamm“ 61. Haus der Kölner Hotelkette.

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