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Mit dem Polarschiff MS Quest auf Nordsee-Entdeckertour

Mehr Unternehmergeist geht kaum: Anfang Juli, knapp nach dem Neustart von Inseln und Stränden in Norddeutschland, wurde auf Sylt binnen weniger Wochen eine ganz neue Urlaubsidee startklar gemacht: Fahrten mit einem Expeditionsschiff in kleinen Reisegruppen zu den schönsten Nordseeinseln und den Halligen.

von PETER LAMPRECHT
Sven Paulsen mit seiner Frau Birge © C. KRUSE / ARTIC-PHOTOGRAPHY.COM

SVEN PAULSEN, Inhaber und Geschäftsführer der Sylter Reederei Adler-Schiffe und der Sylter Verkehrsgesellschaft, hätte sich die Wunden des Corona-Lockdown lecken und die seit März ausgefallenen Rund- und Ausflugsfahrten beklagen können. Immerhin hatte die wirtschaftliche Vollbremsung alle 27 Adler-Schiffe in Nord- und Ostsee an die Kette gelegt, rund 400 Beschäftigte waren in Kurzarbeit. Aber Unternehmer Paulsen rotierte, ganz nach seinem Lebensmotto „Nie aufgeben“. Denn die Krise spielte ihm eine Karte in die Hand, von der er zwar schon geträumt hatte, die aber unerreichbar schien: Das Arktis-taugliche Expeditionsschiff MS Quest aus Norwegen stand plötzlich samt qualifizierter Crew zum Chartern zur Verfügung, da die geplante Sommer-Expedition in die Gewässer um Spitzbergen aufgrund des norwegischen Lockdown nicht stattfinden konnte.

Auf Expeditionsfahrt im Zodiac
© C. KRUSE / ARTIC-PHOTOGRAPHY.COM

Sylt samt Helgoland, Amrum, Halligen und dem Weltnaturerbe Wattenmeer jeweils ab und bis Hamburg anstelle der Routen rund um Spitzbergen? Innerhalb von vier Wochen war alles geklärt zwischen den Eignern des norwegischen Tourismuskonzerns Arctic Travel Company und Sven Paulsen. 14 Reisetermine bis zum 27. September stehen zur Buchung für Gäste zur Verfügung, während die meisten Großen der Kreuzfahrtbranche Schwierigkeiten haben ihre Touren wie geplant durchzuführen.

Das „hoch anspruchsvolle Hygienekonzept“, so Sven Paulsen, fand die Zustimmung der zuständigen Hamburger Gesundheitsbehörde, Reisetermine und Tourbedingungen waren vertraglich fixiert, die Werbung um Gäste konnte beginnen. Mit Christian Kruse war ein weltweit erfahrener Expeditionsleiter gefunden, dem ein starker Ruf vorauseilt. Und dass bei der knappen Anlaufzeit und Tourpreisen ab 1600 Euro für fünf Tage und vier Nächte inzwischen erfreuliche Buchungsergebnisse vorliegen, lässt Unternehmer Paulsen aufatmen: „Zwar können wir nur höchstens 47 der vorhandenen 60 Gästebetten belegen, aber bei einer Auslastung an die 60 Prozent muss sich keiner wirklich Sorgen machen, wenn sich alle an die Hygieneregeln halten.“, sagt Sven Paulsen im Gespräch mit Myilands.

Christian Kruse, Expeditionsleiter der MS Quest
© C. KRUSE / ARTIC-PHOTOGRAPHY.COM

Expeditionsleiter Kruse freut sich über die unerwartete Aufgabe im deutschen Teil des Weltnaturerbes: „Ich stellte mir schon immer die Frage, warum wir sowas nicht in Deutschland anbieten. Dabei liegen nachhaltige Reisen – zumal im eigenen Land – inzwischen voll im Trend.“ So sieht es auch Sven Paulsen, der ohne­hin individualisierte und maßgeschneiderte Tourismus­konzepte mit hohem Nachhaltigkeitsfaktor für die Zukunft der Branche hält. Ende September wird er mit allen Beteiligten Bilanz des Expeditions-Schnellschusses ziehen: „Vielleicht lässt sich das auch in Zukunft weiterentwickeln. Auf jeden Fall können wir alle an der deutschen Küste auch nächstes Jahr mit vielen Gästen rechnen. Urlaub in Deutschland wird aufgrund der Situation auch zukünftig stark gebucht werden.“

Zwei Passagen aus dem Logbuch der MS Quest zeigen unterdessen, wie spannend, überraschend und ebenso unterhaltsam eine solche Schiffsreise in kleiner Runde sich entwickeln kann. Beispielsweise am Dienstag, den ­4.August, legte die MS Quest in List auf Sylt ab und machte am Abend auf Amrum wieder fest. Weil dort gerade eine Sandbank frei war, bot die Expeditionsleitung den Passagieren eine vorher nicht geplante Nachtwanderung auf der Sandbank an, sechs flinke Zodiacs (motorisierte Schlauchboote) brachten die Teilnehmer dorthin. Und ein fulminanter Mondaufgang war die Belohnung für alle Wanderer.

Natur erleben auf der Wattwanderung
Natur erleben auf der Wattwanderung © C. KRUSE / ARTIC-PHOTOGRAPHY.COM

Tags darauf waren die Expeditionsteilnehmer unterwegs im Watt zwischen den Halligen Langeness und Hooge. Plötzlich tauchte ein Krabbenkutter in der Nähe auf. Spontan nahmen die Zodiacs ihre Gäste auf, fuhren zum Kutter, gingen an Bord und nahmen als willkommene Zwischenmahlzeit eine Portion selbst gepuhlter fangfrischer Krabben zu sich. Anschließend ging es mit den Zodiacs über Hallig Hooge nach Föhr, wo bereits das ausgesuchte Abendmenü aus der Bordküche der MS Quest wartete.

„Solche Augenblicke kann keine große Kreuzfahrt bieten“, ist Sven Paulsen überzeugt: „Wir haben die Individualität auf unserer Seite, und da ist ganz viel Flexibilität möglich.“ Inzwischen hat die große Zahl der Sommergäste das Geschäft ebenso auf den anderen Schiffen der Reederei Adler-Schiffe neu beflügelt. „Unser Team hat wieder gut zu tun“, sagt Sven Paulsen. Auf und um Sylt holen Schiffe wie die MS Adler Cat und MS Adler-Express, die Gret Palucca oder die MS Adler IV viel von dem auf, was im Frühjahr verloren ging: „Ich rechne etwa mit einem Minus von 20 Prozent beim Jahresumsatz – eine bessere Aussicht, als die, die vor zwei Monaten noch möglich schien,“ bekräftigt Sven Paulsen seinen Optimismus.

Zuversicht scheint ohnehin in der DNA der Reederei Adler-Schiffe zu liegen, die Paulsens Eltern 1950 aus kleinen Anfängen der Halligversorgung gründeten. Sven Paulsen führt das Unternehmen in zweiter Generation und ist zugleich Eigner und Geschäftsführer der Sylter Verkehrsgesellschaft sowie Anbieter von Ferienimmobilien in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Er träumt inzwischen außerdem von der Fortsetzung eines Erlebnisses aus 2018: Er konzipierte die erste Pan Frisian Expedition auf einer Dreimastbark und befuhr gemeinsam mit einer kleinen Reisegruppe alle Inseln des friesischen Wattenmeeres von Dänemark bis in die Niederlande. Jetzt, mit der MS Quest, hat er den Traum teilweise verwirklicht, „dieses Erlebnis auch Anderen zu ermöglichen“. Man darf gespannt sein, ob und was sich aus dieser innovativen Idee entwickeln wird, 2021 oder wann auch immer.

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