Die deutsche Schule lehrt fünf Sprachen
Bereits seit 21 Jahren steht der Name „Eurocampus“ in Palma für die einzige Schule, die Kindern auf den Balearen den Weg zu allen deutschen Schulabschlüssen ebnet. Ein privater deutsch-spanischer Verein trägt Kosten und Verantwortung. Die Schulaufsicht beider Länder wacht über die Einhaltung der Regeln. Im Interview mit MyiLands schildert Gabriele Fritsch, Gründerin und Leiterin der Privatschule, wie und weshalb das Elterninteresse an dem Angebot zunimmt.
MYILANDS: Was war vor 22 Jahren eigentlich Ihre persönliche Motivation, die Deutsche Schule in Palma zu gründen und dort zu unterrichten – und wie weit wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
GABRIELE FRITSCH: Auf Mallorca, der Lieblingsinsel der Deutschen, fehlte meines Erachtens nach eine Schule mit deutschen Lerninhalten. Eine deutsche Schule als Schmelztiegel mit europäischem Charakter. Antrieb waren meine eigenen Erfahrungen mit Kindern. Kein leichtes Vorhaben, wenn ich es heute betrachte. Aber unter dem Strich bin ich zufrieden mit den Ergebnissen – erst recht, wenn ich sehe, unter welcher Last die Kolleginnen und Kollegen in Deutschland zu leiden haben.
Wie definieren Sie die pädagogischen Ziele, die seither in der Auslandsschule auf der Trauminsel entwickelt worden sind?
Das Leitbild der Schule ist Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wir wollen zum demokratischen und sozialen Handeln mit Rücksicht auf Umwelt und Mitmenschen erziehen. Wir unterstützen die Kinder, indem wir sie zu eigenen Aktivitäten in kulturellen und sportlichen Bereichen ermuntern. Und das zentrale Ziel ist, die Kinder vorzubereiten auf ein gelingendes Leben in einer zunehmend mehrsprachigen Gesellschaft.
Wie geht das konkret?
Das beginnt damit, sie an die Muttersprache heranzuführen. Man glaubt gar nicht, welche Schwierigkeiten dabei auftauchen. Aber nichts ist wichtiger als die Kommunikation über Sprache. Dabei ist die Alphabetisierung entscheidend. Übrigens ist Deutsch noch immer die am meisten gesprochene und geschriebene Erstsprache in Europa…
… nicht Englisch?
… nein, das wird zwar gerne behauptet, aber die Wahrheit ist anders. Man darf nicht Erst- und Fremdsprache verwechseln. Wahr ist aber auch: Wir haben mitgeholfen, diese Wahrheit zu vernebeln. Wir ducken uns noch immer ziemlich oft weg in Fragen der eigenen Identität.
Welche Rolle spielen bei diesen Bemühungen die Digitalisierung und besonders die Social Media?
An unserer Schule wird ab Klasse 5 mit iPads unterrichtet. Jeder Schüler und jede Schülerin erhält ein schuleigenes iPad. Die Kinder sollen auch früh lernen, zwischen privaten und schuleigenen Geräten zu unterscheiden, Schulbücher sind E-Books. Die Lehrkraft unterstützt die Schüler beim Umgang mit den iPads. Es gibt Regeln, die beachtet werden müssen. Damit die Handschrift nicht vernachlässigt wird, gibt es immer noch Hefteinträge. Social Media ist eine andere Schiene … da müssen Lehrer, Schüler aber auch Eltern noch einiges lernen.
Wie stark ist die pädagogische Konkurrenz auf der Insel, welches Gewicht hat die einzige deutsche Schule beispielsweise in Konkurrenz oder in Kooperation mit so gut ausgestatteten multilingualen Bildungsstätten wie der Academy von Tennisstar Rafael Nadal?
Herr Nadal hat sehr viel investiert. Da können wir schon finanziell und strukturell nicht mithalten als Schule, die von einem gemeinnützigen spanisch-deutschen Trägerverein unterhalten wird und als solche auch keine Gewinne erzielen darf. Wir haben beispielsweise mit geschenkten Schulmöbeln der französischen Schule begonnen. Aber wir dürfen stolz sein auf das bisher erreichte, unser klares Profil, die hervorragenden Lehrer und Lehrerinnen, auf die verständigen und kooperativen Eltern und auf die Ergebnisse, die unsere Schülerinnen und Schüler erzielen. Wir haben beispielsweise noch jede Anwartschaft aufs deutsche Abitur durchgebracht, seit uns das 2015 in Kooperation mit der Deutschen Auslandsschule in Barcelona ermöglicht wurde. Im Übrigen arbeiten wir freundschaftlich zusammen mit der Französischen Schule in Palma, was nicht zuletzt zu unserem Namen Eurocampus geführt hat. Und ganz eng ist die Kooperation mit dem Kindergarten nebenan, der uns auch die meisten Grundschüler übergibt – alle über ein ganzes Jahr gut auf das neue Schulleben vorbereitet.
Wie viele Abiturienten haben Sie inzwischen insgesamt beglückwünscht – und wie sind die Ergebnisse der übrigen Entlaßschüler?
Insgesamt haben 44 Schüler seit 2014/2015 das Abitur erfolgreich bestanden. Die Bestnote war 1,2 und viele andere sind ebenfalls im Einser-Bereich. Bei den Sek I Prüfungen habe ich das Zählen aufgehört … aber auch hier gab es viele sehr gute Abschlüsse.
Welche Berufswege peilen die Haupt- und die Realschüler eigentlich an, wo bieten sich ihnen Chancen auf Mallorca und in Spanien?
Diese Schüler nehmen meist eine Ausbildung in Deutschland wahr. Sie haben meist auch schon Vorstellungen über das, was sie machen möchten. Manche Ausbildungen schreiben sogar einen qualifizierten Abschluss vor. Wir lassen nach Wunsch der Eltern die Abschlüsse anerkennen, dann ist auch eine Möglichkeit gegeben, auf Mallorca eine Ausbildung zu beginnen. Dazu sind jedoch entsprechende Sprachkenntnisse erforderlich. Es gibt auch in Madrid oder Barcelona die Möglichkeit, eine anerkannte duale Berufsausbildung (Deutsch/Spanisch) zu absolvieren.
Wie viele Kinder erleben den faszinierenden Alltag der Deutschen Schule aktuell im neuen Schuljahr?
Wir hatten zu Ferienbeginn Anfang Juli 237 Schülerinnen und Schüler, und jetzt werden wir nach der unsicheren Startphase, in der viele Eltern ihre Kinder versuchsweise an mehreren Schulen anmelden, vermutlich bei etwa 250 ankommen. Die Zahl der Anmeldungen steigt schön länger.
Woher kommt der Zuwachs – ist das Folge einer wachsenden Zuwanderung aus Deutschland, oder wollen nun auch mehr Briten oder Spanier ihre Kinder fit machen für den deutschen Arbeitsmarkt?
Meist sind es berufliche Gründe, die Möglichkeit des Homeoffice, aber auch private Gründe, dass Eltern die Kinder anmelden; auch Spanier oder Eltern anderer Nationalität wählen unsere Schule. Wir haben tatsächlich aktuell wieder eine spanische Abiturientin, die wunderbar in fünf Sprachen kommuniziert. Sie will in Bilbao studieren. Der erste Spanier, der bei uns vor Jahren das Abitur absolvierte, studierte in Deutschland. Unser Ruf auf der Insel ist auch wirklich ausgezeichnet.
Wie viele Lehrer arbeiten daran, den Ruf zu wahren – und woher kommen die Kollegen. Sind das deutsche Beamte oder sind es Freelancer?
23 waren wir im Juni. Es sind Pädagogen dabei, die schon 20 Jahre mitwirken, andere 15 oder 10 Jahre. Dazu kommen immer wieder junge Kollegen aus Deutschland. Sie sind Angestellte, engagiert und schülerorientiert und sie finden hier ein Echo, das anderswo selten geworden ist: Sie alle sorgen mit dafür, dass die Kinder aller Jahrgänge sich gesehen und ernstgenommen fühlen. Sie treten in allen zentralen Fächern jeweils zu zweit auf vor Klassen mit maximal 25 Schülern. Da entsteht der eigentliche Spirit, der den Kindern nützt und der uns von riesigen Bildungseinrichtungen mit teilweise mehr als Tausenden Schülern in Deutschland unterscheidet.
Ein Blick auf die Kostenseite provoziert die Frage nach der Sozialstruktur Ihrer Klassen. Schulen in Deutschland arbeiten ohne Schulgeld. Bei ihnen sind elfmal im Jahr über 600 bis über 800 Euro Schulgeld fällig. Und alle Materialien, Bücher oder Event-Tickets müssen extra bezahlt werden …
Das ist korrekt. Aber erst die Elternbeiträge erlauben uns, einen Schulbetrieb zu führen. Entsprechend ist auch die Sozialstruktur der Schule ausgelegt. Man muss sich die Schulkosten leisten können. Wir erhalten keine Unterstützung vom deutschen Staat und die Kooperationskosten, die der Deutschen Schule Barcelona entstehen, müssen wir nun selbst tragen. Diese Kostenübernahme wurde gestrichen. Dennoch müssen alle Forderungen pädagogischer Art, die uns die Kultusministerkonferenz vorschreibt, eingehalten werden.
Organisiert sind wir deshalb wie alle deutschen Auslandsschulen, die von Deutschland aus finanziell unterstützt werden. Träger ist somit ein Schulverein mit einem Vorstand, der die personellen, rechtlichen und baulichen Aufgaben der Schule wahrnimmt.
Absolventen des Eurocampus haben gelernt, mit fünf Sprachen einschließlich Katalanisch umzugehen, Spanisch ist sogar neben Deutsch eine gleichberechtigte Muttersprache. Lehrer in deutschen Großstädten müssen hingegen mit Schülermehrheiten ohne ausreichende Deutschkenntnisse auskommen. Hätten Sie ein Rezept, wie die Kollegen daheim zu Palma-Verhältnissen finden könnten?
Ein schwieriges Thema, dass in Deutschland gelöst werden muss. Wir haben fast 100 Prozent deutschsprachige Muttersprachler. Ich denke, dass jedes Bundesland hier auch unterschiedliche Herangehensweisen hat, wie sprachliche Integration aussehen soll. Alle haben gute Vorsätze – vielleicht wäre es wünschenswert, wenn die Basis direkt Einfluss nehmen könnte …
Und eine letzte Frage, ganz persönlich: Wo verbringt eigentlich eine deutsche Lehrerin aus der Urlaubsmetropole Palma ihre eigenen Schulferien?
Die meisten meiner Kollegen fahren, neben ihrem eigentlichen Urlaubsziel, immer zu ihren Familien nach Deutschland oder Österreich. Ich stamme aus der Nähe Kölns. Und Köln samt des weiteren Umfelds bleibt eines meiner speziellen Ferienziele. Ich freue mich auf meine Familie, die Freunde, den Dom und viele bekannte Gesichter.
EUROCAMPUS MALLORCA
Die Eurocampus Deutsche Schule ist eine Privatschule. Träger der Schule ist der Deutsch-Spanische Schulverein. Er bildet die rechtliche, finanzielle und personelle Grundlage für die Schule und schafft so die Voraussetzungen für den Schulbetrieb. Logistische Unterstützung leisten die KMK (Kultusministerkonferenz), die ZfA (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen im Bundesverwaltungsamt), die Deutsche Botschaft Madrid, das Deutsche Konsulat in Palma de Mallorca. Schulaufsicht übernehmen die deutsche KMK sowie die staatliche spanische Schulbehörde auf der Insel.
Als einzige Schule auf den Balearen wurde die Eurocampus Deutsche Schule im Sommer 2010 im Rahmen des weltweiten Bildungsprogramms PASCH „Schulen: Partner der Zukunft“ mit der PASCH-Plakette ausgezeichnet. Dieses weltumspannende Netz von 1500 Partnerschulen mit besonderer Deutschlandbindung wird durch das Auswärtige Amt koordiniert.