Sylts erste Listland-Rangerin kann mit vielen kleineren Aktionen Großes bewirken
Nach einem gelungenen Pilotprojekt ist Stella Kinne seit Anfang 2024 die erste Listland-Rangerin auf Sylt und arbeitet für die Eigentümer des Listlandes. Sie kümmert sich um den Natur- und Artenschutz, aber auch um den Küstenschutz in dem rund 1.250 Hektar großen Naturschutzgebiet „Nord-Sylt“, das sich nördlich von Kampen erstreckt. In ihrem Traumjob kann die 26-Jährige viele spannende Projekte umsetzen und viel bewirken.
Im Anschluss an ihr Studium der Buchwissenschaften in Mainz wollte Stella Kinne ursprünglich im Verlagswesen Fuß fassen. Ihre Sehnsucht nach dem Meer und ihre Liebe zu Sylt führten sie jedoch zunächst für 1,5 Jahre im Bundesfreiwilligendienst bei der Schutzstation Wattenmeer nach Sylt. Danach war sie weitere 1,5 Jahre als Naturbotschafterin der Sylter Naturschutzvereine tätig. „Es war immer schon mein Traum, irgendwann am Meer zu leben“, sagt die heutige Listland-Rangerin. „Ich habe früher oft auf Sylt Urlaub gemacht und habe viele Gegenden auf der Insel kennen- und lieben gelernt. Die Stellenausschreibung passte perfekt, sodass es mich nach dem Studium erst einmal auf die Nordseeinsel verschlagen hat.“
ARTENVIELFALT FÖRDERN UND LEBENSRÄUME SCHÜTZEN
Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Naturschutzvereine auf Sylt war sie im Jahr 2021 beispielsweise am Projekt „Dünen in Bewegung – Strandinseln auf Sylt“ beteiligt, das heute von der Naturschutzbotschafterin Charlie Esser fortgeführt wird : Um die Artenvielfalt von Strandpflanzen und Brutvögeln zu fördern, wurden zunächst versuchsweise am Lister Ellenbogen und an der Hörnumer Odde kleine Gebiete abgesteckt, die nicht betreten werden durften, um der Tier- und Pflanzenwelt Ruhezonen zu bieten, in denen sie sich ungestört entwickeln kann. Im März 2021 errichteten Stella Kinne und ein Team der hiesigen Naturschützer die erste „Strandinsel“, bereits Ende Juni konnte das erste Eigelege des gefährdeten Sandregenpfeifers kartiert werden. Einen Monat später zeigten sich im nördlichen Versuchsgebiet zwei quietschfidele Küken des flinken Wattvogels, der mit seiner Augenbinde wie ein kleiner Panzerknacker aussieht. Er liebt die Ruhe und die menschenleere Natur. Doch nicht nur dem Sandregenpfeifer kamen die neuen Gebiete zugute. Was als Gemeinschaftsprojekt aller Naturschutzvereine auf Sylt begann, schützt nun auf der gesamten Insel an mehreren Bereichen Vögel und Pflanzen: Von Hörnum über Wenningstedt und Kampen bis nach List können spannende Lebensräume beobachtet und neue Tier- und Pflanzenarten kennengelernt werden. „Projekte dieser Art sind Beispiele dafür, wie man mit kleineren Aktionen viel bewirken und schnell Veränderungen bemerken kann“, sagt Stella Kinne. Das sei es auch, was sie besonders antreibe in ihrer täglichen Arbeit.
ABWECHSLUNGSREICHER ARBEITSALLTAG AN DER FRISCHEN LUFT
Ihr zunächst für ein Jahr geplantes Engagement als Naturschutzbotschafterin auf der Insel wurde um ein halbes Jahr verlängert. Im Anschluss daran verbrachte Stella Kinne ein Jahr als Rangerin in Neuseeland. Danach kehrte sie als erste Listland-Rangerin im Auftrag der Listland-Eigentümer zurück auf die Nordseeinsel. Ihr Arbeitsalltag ist extrem abwechslungsreich: 90 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringt sie draußen. Dazu gehören tägliche Kontrollgänge am Strand, bei denen sie darauf achtet, dass Spaziergänger ihre Hunde an der Leine führen und niemand das Naturschutzgebiet betritt. Zudem sammelt sie häufig auch Müll und Unrat und zählt ansässige Tier- und Pflanzenarten. Darunter fällt beispielsweise die Kreuzkröte, eine gefährdete Art, deren Lebensraum vielerorts durch die Zerstörung und Beeinträchtigung der Kleingewässer knapp wird. Um dem entgegenzuwirken, hat Stella Kinne eine Schutzzone für diese Krötenart eingerichtet, in der sie ungestört laichen kann.
Es ist die Vielfalt und es sind die krassen Gegensätze, die man auf Sylt findet, die die Insel so besonders machen. Da ist einerseits der touristische Trubel im Sommer mit vielen Events und die einkehrende Ruhe im Winter auf der anderen Seite“
STELLA KINNE LISTLAND-RANGERIN AUF SYLT
Zudem gebe es seit 2019 in den Wintermonaten einen geschützten Bereich im Inselnorden, wo Kegelrobben und Seehunde ungestört rasten können. Trifft man außerhalb dieser Schutzzone auf hilfebedürftige Meeressäuger, erleichtert die neue „Robben-App“ eine schnelle und präzise Fundmeldung. „Wenn wir die Info erhalten, dass irgendwo eine Robbe gesichtet wurde, die sich ungewöhnlich verhält, informieren wir die zuständigen Seehundjäger, die dann sofort zur Fundstelle fahren und sich einen Überblick über die Lage verschaffen. Wenn eine junge Robbe beispielsweise noch Muttermilch benötigt, wird sie in die Seehundauffangstation nach Friedrichskoog gebracht“, erklärt die Listland-Rangerin. Wenn sie selbst hilfebedürftige Seehunde beobachtet, meldet sie diese selbstverständlich auch, baut flexible Schutzzonen auf, wenn es angebracht ist und bleibt vor Ort, bis die Beauftragten eintreffen.
PFLANZEN- UND KÜSTENSCHUTZ
Sie engagiert sich aber nicht nur für die Tiere auf Sylt, sondern widmet sich auch dem Pflanzen- und Küstenschutz auf der Insel. So pflanzt sie beispielsweise Strandhafer an, um Dünenabbrüche zu verhindern. „Leider bewegen sich Spaziergänger und Wanderer häufig auch abseits der vorgegebenen Wege in den Dünen. Damit gefährden sie den sensiblen Strandhafer, der eine wichtige Waffe der Küstenschützer ist und dazu beiträgt, sensible Dünenbereiche nah an der Wasserkante zu bewahren“, erklärt sie. Um dem entgegenzuwirken, pflanzt sie an strategisch wichtigen Punkten neuen Strandhafer an. Gleichermaßen entfernt sie aber auch Pflanzenarten, die die heimische Pflanzenwelt gefährden. Dazu zählen zum Beispiel die aus Nordamerika stammende Cranberry oder die Rosa rugosa, die die Sylter Dünenrose verdrängt.
Ein wichtiger Teil der Arbeit als Listland-Rangerin sei aber auch die Kommunikation mit den Menschen. So sei es beispielsweise immer wieder wichtig, Hundehalter auf die Leinenpflicht im Listland hinzuweisen. „Die meisten von ihnen reagieren verständnisvoll, wenn ich ihnen erkläre, dass die Hunde Brutvögel und andere Tiere aufscheuchen und gefährden – so zum Beispiel die freilaufenden Schafe im Sylter Norden“, sagt sie. Sie werde auch häufig angesprochen und beantworte Fragen von Gästen und Einheimischen, die in der Natur unterwegs sind. „Es ist wichtig, aufzuklären und Verständnis zu schaffen“, sagt sie. Deshalb bewirbt sie auch anstehende Mitmachaktionen, bei denen Müll gesammelt oder Heidepflege betrieben wird, in der öffentlichen Presse und bekommt viel positive Resonanz.
VIELFALT UND KRASSE GEGENSÄTZE
Im Gespräch mit Stella Kinne wird ihre Liebe zu ihrer Arbeit, zu ihrer Wahlheimat und deren abwechslungsreichen Naturlandschaften in jeder Silbe deutlich. „Es ist die Vielfalt und es sind die krassen Gegensätze, die man auf Sylt findet, die die Insel so besonders machen“, sagt sie. „Da ist einerseits der touristische Trubel im Sommer mit vielen Events und die einkehrende Ruhe im Winter auf der anderen Seite. Die Naturlandschaften sind abwechslungsreich und verändern sich ständig. Hier gibt es immer etwas zu tun“, so die Rangerin. Zu ihren eindrucksvollsten Naturerlebnissen auf der Insel gehöre beispielsweise die Sichtung der Polarlichter am Ellenbogen in diesem Herbst. Aber auch die Sonnenaufgänge am Meer seien „magisch“. „Die Ruhe bei Sonnenaufgang an einem menschenleeren Strand ist einfach gewaltig. Wenn man dann noch eine Robbe sieht, die hier entspannt dösen kann, ist das einfach ein tolles Erlebnis“, schwärmt sie.
WICHTIGE HINWEISE FÜR IHREN AUFENTHALT IN DER SYLTER NATUR
Damit diese Naturerlebnisse auf Sylt noch vielen weiteren Generationen erhalten bleiben, möchte sie Einheimischen und Gästen ein paar wichtige Hinweise mitgeben: Da sei zum einen die ganzjährige Leinenpflicht für Hunde im Listland (das schließt auch den Strand mit ein). „Bitte seien Sie auch darüber hinaus stets vorsichtig und halten Sie Abstand, wenn Sie Tiere sehen“, sagt sie. „Melden Sie Robben-Sichtungen über die Robben-App, damit wir prüfen können, ob es den Tieren gut geht.“ Darüber hinaus bittet sie darum, keinen Müll und Unrat in der Natur zurückzulassen und diesen aufzusammeln, wenn er auf Spaziergängen und Wanderungen auf der Insel auffällt. „Bitte bewegen Sie sich nur auf den vorgegebenen Wegen in den Dünen, um Tier- und Pflanzenarten nicht zu gefährden!“ Zudem freut sich Stella Kinne immer, wenn sie bei ihrer täglichen Arbeit angesprochen wird. „Wenn Sie Fragen haben oder Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt, stehe ich jederzeit als Ansprechpartnerin zur Verfügung.“