Jan Schot erntet die Schätze der Nordsee
von TORSTEN STIEGEMANN
Souverän dreht Jan Schot sein 45 Meter langes Fischereiboot im Hörnumer Hafen. Gefühlt ein Meter Platz, am Bug wie am Heck, jedoch von Hektik keine Spur im Steuerstand. Wesentlich emotionaler wird der Holländer, der vor Sylt insgesamt fünf Muschelbänke vom Land Schleswig-Holstein gepachtet hat, wenn es um „seine Muscheln“ geht. Muschel-Jan, wie er von seinen Sylter Freunden genannt wird, stammt aus einer niederländischen Fischerfamilie. Schon der Vater und Großvater fischten erfolgreich. Die Verbundenheit mit der Natur und die Achtung vor dem Meer sieht man ihm bei jeder Sekunde unseres Informationsausflugs an.
„MUSCHELFRIEDEN“ HÄLT
Nur ein paar Minuten vom Hafen entfernt befindet sich das erste seiner Muschelfelder. Die Koordinaten im Navigationssystem braucht Jan nicht, er findet seine Felder quasi mit verbundenen Augen. Seit dem „Sylter Muschelfrieden“ aus dem Jahr 2017 sind Ernte- und Kulturgebiet vor der Insel klar definiert. Alle Lizenzen sind an strenge Auflagen gebunden. Bevor ein Feld „geerntet“ werden darf, sind strenge Kontrollen durch das Veterinäramt in Neumünster zu durchlaufen. Erst wenn die eingereichten Miesmuschelproben den geforderten Richtwerten entsprechen, dürfen die Muscheln geerntet und verarbeitet werden. Miesmuscheln wurden schon in der Antike in Griechenland gezüchtet. Sie kommen heute im kompletten Mittelmeerraum, am Nordatlantik und auch an der Nordseeküste vor. Ein Großteil der sehr anpassungsfähigen Tiere stammt aus dem niederländischen und deutschen Wattenmeer. Miesmuscheln werden mit Körben vom Meeresboden geschält. Pro Korb wird jeweils eine Tonne geerntet. Anders als Fische werden Muscheln meist lebend verkauft, gereinigt von Sand, Algen und eventuellen Seepocken.
NÄHRWERT AUS DEM MEER
Während die Sylter Auster bei den Gourmets in aller Munde ist, fristet die Miesmuschel noch ein Schattendasein. Völlig zu Unrecht: Für Jan Schot ist die Miesmuschel die beste und gesündeste Köstlichkeit der Insel: „Sie hat kaum Fett, enthält Vitamin B12, viel Jod, Selen und Eisen, bei einem 30prozentigen Fleischanteil“. Damit ist der Fleischanteil fast doppelt so hoch, wie die Muscheln aus den benachbarten Ländern. Muscheln benötigen drei Jahre, bis sie die Größe haben, die von den Kunden erwartet wird. Die besten und frischesten Meeresfrüchte landen gleich auf Sylter Tischen, noch ehe die Lieferungen ins benachbarte Ausland gehen. Ab Saisonbeginn werden ca. 100 Tonnen Miesmuscheln am Tag gefischt und in die Niederlande geschafft. Weitere Hauptmärkte sind Deutschland und Belgien.
ZWEI MONATE PAUSE
Mai und Juni sind Schonzeiten. Die Muscheln sind dann milchig, sie spucken Saat aus, verlieren Fleisch und sind ungenießbar. Aber Jan Schot klärt auf: „Dass Muscheln nur in den Monaten essbar seien, die mit „R“ enden, stimmt nicht mehr. Im Gegensatz zu früher gibt es heute funktionierende Kühlketten, die die Muscheln bei jeder Außentemperatur frisch halten. Daher kommen sie heute immer perfekt beim Konsumenten an.“
EIN BLICK GENÜGT
„Weiß und voll, so muss eine Muschel aussehen. Je gelber sie ist, umso unreifer ist sie“, doziert Muschelexperte Schot. Ehe die Meeresfrüchte im Topf landen, sollte man darauf achten, dass die Muschelschalen geschlossen sind, das ist der Beweis für Frische. „Denn nur eine lebende Muschel kann die Kraft aufbringen die Schale zu schließen. Wiederum sollte sich die Schale nach dem Kochen geöffnet haben. Sonst war die Muschel vor dem Kochen höchstwahrscheinlich schon tot, also nicht mehr genießbar,“ erklärt Jan Schot.
MUSCHEL-BISTRO
Wer sich von der herausragenden Qualität der Sylter Muscheln überzeugen möchte, sollte unbedingt nach Hörnum fahren und in Jan Schotens Muschel Bistro einkehren. Das Bistro wird von Saša Puric mit viel Herz und Leidenschaft geführt. Hier gibt es nicht nur verschiedene Varianten der Miesmuscheln, sondern auch Krabben, Austern, Seezungen und besonders schmackhaften Helgoländer Hummer. Das Ambiente ist einfach, jedoch wird abends mit weißen, gestärkten Stoffdecken eingedeckt, hier wird Wert auf die Basis der Gastronomie gelegt – das Essen und die Gastfreundschaft. Das Personal ist herzlich, die Atmosphäre dicht, schnell kommt man mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch. Und wenn zu später Stunde aus den Boxen Vicky Leandros singt „Ich liebe das Leben“; dann schunkelt man unweigerlich mit – Und denkt sich: „Stimmt!“