Christian Nienhaus bespielt im Wechsel zwei Ateliers – eines auf Mallorca, eines in Gelsenkirchen. Er malt, realisiert kinetische Objekte, geht mit dem „größten Bild der Welt“ in die Kunstgeschichte ein und seiner Geburtsstadt vermacht er eine neue Kirchturmspitze.
Er pendelt zwischen Canyamel nahe Arta und dem Ruhrgebiet hin und her – und das im Rhythmus von vier Wochen. Ursprünglich wollte Christian Nienhaus sein Insel-Atelier (entstanden aus einer umgebauten Doppelgarage) im Winter nutzen. Doch mittlerweile ist die Nachfrage auf Mallorca so gestiegen und die Projekte im 900 Quadratmeter großen Domizil in der umgebauten Bahnhofshalle in Gelsenkirchen-Buer sind so zahlreich, dass er eigentlich überall gleichzeitig sein sollte.
Auf Mallorca sind es vor allem das Licht und die Leichtigkeit, die ihn begeistern und inspirieren. Aber auch das Interesse nach seinen Werken treibt ihn an, denn dies sei deutlich gestiegen und damit einhergehend die Besuche in seinem Atelier. Einer der Gründe für den Boom seien die Nonstop-Flugmöglichkeiten von New York nach Palma. Die Zahl der Amerikaner, die jetzt mal eben Urlaub auf der Insel machen oder Häuser kaufen, sei enorm gewachsen ebenso wie die Zahl der Kunstliebhaber. Ungebrochen sei auch die Begeisterung für seine Werke aus dem südeuropäischen und asiatischen Raum: „Viele Kunstinteressierte suchen den direkten Kontakt, sie wollen im Atelier live die Atmosphäre spüren und den Kreativen vor Ort erleben“, erzählt der Mann, der seit 25 Jahren freischaffend und mit großer Lust an der Farbe seine Geschichten auf Leinwänden, in Form von Skulpturen und kinetischen Objekten erzählt.
Rechts: Über Schläuche wurde der spezielle Farbmix auf den Karton aufgebracht.
„Meine Kunst ist Kommunikation, ist Veränderung, ist Bewegung, ist Ich“, sagt der 48-Jährige. „Mischtechniken“ nennt er seine malerischen Arbeiten, die vom herkömmlichen Öl, Acrylfarben bis zu eigener Farbherstellung reichen. Zusätzlich werden Materialien in unterschiedlichster Weise mit eingebettet. Das sind kleine Zeichnungen, Fotographien, Fundstücke aus dem Alltag und Auszüge aus seinem Tagebuch. Er bezeichnet dieses als Schriftbuch, in dem er alles festhält, was sich ihm Tag für Tag an Bildern, Gesprächen und Begegnungen einbrennt. „Auf die Art verarbeite ich mein Kopf-Kino“, erzählt er. Was zur Folge hat, dass er selbst in jedem seiner Werke eine Rolle spielt – mal erkennbar als Figur, mal als Tierwesen.
„In Form von Collagen übertrage ich Geschichten aus dem Leben auf die Leinwand“, beschreibt Christian Nienhaus sein kreatives Schaffen. Durch Übermalungen entstehen mehrere Schichten, eine durchscheinende Kulisse. Dabei sind Farben sein Medium. Er ist davon überzeugt, dass jeder Mensch eine eigene Farbe hat, die in Bewegung ist, sich durch neue Informationen verändert.
Derzeit dreht sich in seinem Atelier auf Mallorca alles um Gold und Silber, die symbolisch für Sonne und Mond stehen. Nienhaus mischt die Töne, fügt die Element zusammen und will so ein optimistisches Zeichen setzen, sein Vertrauen in die Menschheit dokumentieren. „Silber und Gold sind positiv besetzt, sie stehen für Willenskraft und Wachheit, für Ruhe und Romantik. Bei all den negativen Strömungen uns herum, will ich zeigen, wie viel Schönes es auf der Welt gibt.“
Der Mann aus dem Ruhrgebiet ist ein erklärter Optimist, er glaubt an die Kraft von Gesprächen, von Beziehungen und Freundschaften. Er arbeitet längst international und kleckert bei seinen Projekten nicht. Stets sucht er neue Herausforderungen, ist fleißig und umtriebig. Am liebsten arbeitet er parallel an mehreren Projekten – auch an solchen, die von der Idee bis zur Realisierung Jahre in Anspruch nehmen – so wie „das größte Bild der Welt“, das in diesem Sommer Furore gemacht hat. Denn mit dem Projekt „Colourful Art of Football“ ist ein monumentales Kunstwerk der Superlative in der Veltins Arena auf Schalke entstanden.
Mit einer Leinwandfläche von 13.033 Quadratmetern und dem Einsatz von über 8.000 Litern Farbe stellt es einen Weltrekord dar und wird damit in die Kunstgeschichte eingehen. Das Rekord-Institut für Deutschland (RID) eröffnete für das Kunstwerk eine neue Rekordkategorie und zertifizierte die auf dem Innenraumboden der Arena realisierte gigantische Malfläche als das „größte Gemälde mit Action-Painting“.
Doch der Reihe nach: Christian Nienhaus selber spielt kein Fußball. Nachdem er als Siebenjähriger bei seinen ersten Versuchen auf dem Rasen den Ball an den Kopf bekommen hat, war‘s das für ihn. Aber als Mann aus Gelsenkirchen ist er natürlich Schalke-Fan, hat viele Fußballer im Laufe der Jahre kennengelernt, Manuel Neuer (auch in Gelsenkirchen geboren) zählt zu seinen Freunden. Fußball fasziniert ihn als Spiel, als ein Miteinander unter Freunden. Irgendwann ist die Idee entstanden, legendäre Tor-Spielzüge großer Fußballspiele nachspielen zu lassen und als farbige Laufspuren festzuhalten. Passend zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland spielten dann internationale Fußball-Juniorenteams in der Arena auf Schalke das Ganze unter der Regie von Christian Nienhaus nach. Während der Spielzüge trugen die Sportlerinnen und Sportler, die menschlichen Pinsel, einen 30 Kilogramm schweren Rucksack, gefüllt mit Acrylfarbe – die kontinuierlich auf speziell entwickelter Kartonage auslief und so die Laufwege auf dem Boden nachzeichnete. „Wir haben mit diesem Gemeinschaftskunstwerk gezeigt, wie die gemeinsame Fußball-Leidenschaft die Menschen auf der ganzen Welt miteinander verbindet, Wege ebnet und Grenzen überwindet“, betont der kreative Kopf hinter dem Projekt.
Und: Es läuft eine weltweit angelegte Charity-Aktion, deren Erlöse zur Hälfte an Kinderhilfsprojekte fließen – wie beispielsweise die Felix-Neureuther-Stiftung. Denn vom Originalbild entstehen unter anderem Kunstdrucke in der Größe von 100 mal 70 Zentimeter, inklusive eines zehn mal zehn Zentimeter großen Quadrats vom Original Kunstwerk, die für 49 Euro verkauft werden. „Bislang haben wir 4000 Drucke verkauft“, erzählt der Initiator. Es können aber auch signierte Originale bis zu sechs mal vier Meter Größe gekauft werden.
Ein weiteres Herzensprojekt heißt „Melchior“ und ist in Gelsenkirchen verortet: Der Kirche St. Urbanus fehlt seit Jahrzehnten die Turmspitze – sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Und Tausendsassa Christian Neuhaus will dem Sakralbau eine neue verpassen. In Form einer kinetischen Stahlskulptur, die mit Hilfe von LED-Technik von innen leuchtet. Der Künstler mag eben sein Gelsenkirchen-Buer – auch wenn er oft in der Welt unterwegs ist.