Arbeiten im Corona-Sommer:
AUSNAHMEZUSTAND IN DER HOTELLERIE:
WIE GASTGEBERINNEN ZU KRISENMANAGERINNEN WERDEN
von DAGMAR HAAS-PILWAT
Zwei Frauen, beide managen jeweils ein Hotel – die eine das Golf Resort in Portals Nous auf Mallorca, die andere ist Chefin auf Sylt im Strand Hotel Windrose. Beide ganzjährig geöffneten Häuser gehören zur Düsseldorfer Lindner Hotels AG – der einzigen Hotelkette in Nordrhein-Westfalen, die auf beiden Inseln vertreten ist. Wie haben die gebürtige Kölnerin Carolina Cordes (40) auf Mallorca und Barbara Richter (41) in Wenningstedt das vergangene halbe Jahr im Zeichen der Covid-19 Pandemie erlebt, was waren die Herausforderungen, wie haben die beiden die Krise gemeistert?
„Nach dem ersten Lockdown-Schock haben wir im 14-Tage-Rhythmus gedacht und geplant und wollten vor allem wieder öffnen“, sagt Carolina Cordes. Jeden Tag saß sie in ihrem Büro („das verwaiste Hotel war wie ein Geisterhaus“), sie hat mit Gästen telefoniert, sich mit Kollegen kurz geschlossen und sich um die rund 90 Mitarbeiter gekümmert, die in Kurzarbeit waren („ich habe unterschätzt, wie sehr viele psychisch angeschlagen waren“). Wenn von heute auf morgen das Hotel geschlossen wird, wenn von jetzt auf gleich das Reservierungsbuch leer gefegt ist, „müssen wir schnell entscheiden, kreativ und kurzfristig auf sich verändernde Situationen reagieren“, sagt Cordes.
Dabei lief alles so gut: Erst Ende Februar 2019 war das Lindner Golf Resort nach dem kompletten, 6.5 Millionen Euro teuren Umbau vom Pool bis zum Dachgeschoss frischer, offener und exotischer neu eröffnet worden. Neben den 128 kernsanierten, mit hellen Holz- und Erdtönen sowie afrikanischen Kunstgegenständen ausgestatteten Zimmern, den modernisierten Bädern, sind das „Restaurant Niko‘s Place“ mit einer großen Bar im Shabby-Chic-Stil so neu wie die offene Lounge und eine Outdoor-Yoga-Terrasse. „2020 wollten wir so richtig in die Vollen gehen. Stattdessen haben wir drei Monate von 20. März bis 22. Juni alles auf den Prüfstand gestellt, um vorbereitet zu sein, wenn die ersten Gäste wiederkommen.“
Als eines der ersten Häuser auf der Balearen-Insel und mit großem Aufwand öffnete das vor allem bei Deutschen so beliebte Resort nach dem Lockdown seine Tore und startete mit der Belegung von zehn Zimmern. Gäste werden seitdem an der Rezeption genau wie die Mitarbeiter durch Plexiglasscheiben geschützt. Neue Abstandsmarkierungen strukturieren die Wartebereiche.
Unter dem Motto „Clean and clean again“ sind die Reinigungszyklen nun noch enger getaktet und insbesondere sogenannte High-Touch-Flächen in öffentlichen Bereichen sowie in den Zimmern wie Lichtschalter, Aufzugsknöpfe, Telefone und Fernbedienungen werden in regelmäßigen kurzen Zeitabständen desinfiziert. Zudem stehen Desinfektionsmittel für die Gäste in den öffentlichen Bereichen in großer Anzahl zur Verfügung. „Trotz verschärfter Hygienevorschriften, Abstandsregeln und Mundschutzpflicht für die Mitarbeiter waren wir endlich wieder da“, berichtet die Managerin. Was war sie froh, als Gastgeberin mit ihrem Team die Urlauber verwöhnen, ihnen eine unbeschwerte gesunde Auszeit bieten zu können: „Das macht doch unseren Beruf aus“.
Anfragen und Buchungen gingen ein, die Zeichen standen auf Entspannung. „Im Juli haben uns vor allem die Familien gerettet. Wir hatten sogar 45 Kinder im Haus.“ Die Vorausbuchung für September und insbesondere während der Schulferien im Oktober waren gut, dann kam die Maskenpflicht. Sie sorgte für Unsicherheit und die Reisewarnung der Bundesregierung war der nächste Schock. „Wir haben keine Ahnung, wie es weitergeht. Geplant ist auf jeden Fall, dass wir nicht schließen, sondern flexibel auf die sich ständig verändernde Situation reagieren“, erklärt Carolina Cordes.
Sie selbst ist so angespannt wie noch nie in ihrem Berufsleben. „Ich habe nie zuvor so viele Gesetzestexte und Bulletins lesen und mich mit Dingen auseinandersetzen müssen, die nichts mit der Hotellerie zu tun haben.“ Aber aufgeben gibt es nicht, dafür ist die 40-Jährige viel zu zuversichtlich. Persönlich hatte sie zudem das Glück, dass ihre Mutter vor dem Lockdown bereits zu Besuch auf der Insel war. „Sie ist all die Wochen geblieben und hat sich um meinen zweijährigen Sohn gekümmert.“
Bis das Leben wieder einigermaßen normal läuft, muss sich auch Barbara Richter im Lindner Strand Hotel „Windrose“ weiterhin auf stürmische Zeiten einstellen. Die 41-Jährige aus Schmallenberg im Sauerland hatte sich das Leben als Hoteldirektorin gewiss anders vorgestellt. Gerade einmal 16 Monate im Amt, sah sie sich vor völlig unbekannte Aufgaben gestellt. „Krisenmanagement lautete die Priorität. „Die Lernkurve war steil. Zwei Monate mussten wir schließen, kein Umsatz, keine Gäste – und das zu Beginn der Saison und dem bevorstehenden Oster-Geschäft“, erinnert sich die Direktorin.
Flexibel bei Entscheidungen und flink im Kopf – das sei die oberste Maßgabe in solchen Zeiten, in denen das Geschäft wegbricht. Gemeinsam mit den Auszubildenden und zwei Kollegen war Barbara Richter sieben Tage die Woche im Einsatz, stand in ständigem Kontakt mit Vorstand Otto Lindner und mit den Kollegen in den anderen Lindner-Hotels.
Als die ersten Gäste wieder auf die Insel durften, „konnten wir gut vorbereitet – entsprechend den vorgegebenen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen – gleich von Null auf 100 durchstarten. Und der Vorteil unserer Hotelgruppe ist es, dass wir uns untereinander aushelfen können. Mitarbeiter aus anderen Häusern haben uns hier auf der Insel großartig unterstützt“, sagt Richter.
Anders als vor Ausbruch der Pandemie wurden auf Sylt auch die Abläufe im Restaurant geändert. So sind die Frühstückszeiten in drei Slots eingeteilt, damit die 220 Gäste genug Platz haben, um den Abstand zu wahren. Das gilt zudem abends: Kein Dinner ohne vorherige Tischreservierung zu bestimmten Zeiten. Während der Spa-Betrieb ruht, dürfen – so Barbara Richter – beispielsweise in den Pool immer nur Personen aus einem Haushalt.
Da Urlaub in Deutschland noch mehr als sonst hoch im Kurs steht, kann sich die Managerin nach den zwei Monaten Zwangspause über eine sehr gute Auslastung der „Windrose“ freuen. Mit den Anfragen für Herbst ist sie zufrieden und vielleicht geht das Jahr 2020 mit einer besseren Bilanz als befürchtet zu Ende.
Zukunftsängste, Verantwortungsdruck gegenüber Mitarbeitern, da kann es manchmal schwer fallen, stets positiv zu denken. „Doch das Virus trifft uns alle – und das global“ – bei Barbara Richter haben Kampfgeist und Kreativität die Oberhand gewonnen. Auch wenn derzeit alles anders als gewohnt abläuft, hat die 41-Jährige es nicht bereut, auf Sylt zu sein. „Ich liebe das Wasser und was gibt es Schöneres als direkt am Meer zu arbeiten.“ Daran, dass alle gemeinsam die Krise meistern, hat sie keinen Zweifel.
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Hier spricht der Chef
Hotels bleiben geöffnet
Otto Lindner, Chef der Lindner-Hotelgruppe, über die Zeit des Lockdown und die Folgen
Seit 1990 führt Otto Lindner, der Sohn des gleichnamigen Gründers die familieneigene Unternehmensgruppe. Seit seinem Dienstantritt in der Düsseldorfer Zentrale trieb der heute 58-Jährige die Expansion mit Business- und Ferienresorts sowie mit der Gründung einer neuen Kette von Boutique-Hotels voran. Die letzten Monate haben ihn und seine Branche an die Grenze der Belastbarkeit geführt: Städtetouristen bleiben aus, Geschäftsleute reisen nur noch selten, die Hotels stehen auch nach der Wiedereröffnung weitgehend leer. Wie managt er die Krise?
„Durch den Lockdown wurde von einem Tag auf den anderen unsere Geschäftsgrundlage komplett zerstört und wir mussten sehr schnell reagieren, ohne jegliche Planungssicherheit zu haben. Da zu den größten Kostenfaktoren der Hotellerie die Pacht- und Personalkosten zählen, haben wir zunächst hier angesetzt. Wir haben persönliche und intensive Gespräche mit jedem einzelnen Eigentümer unserer Hotelimmobilien geführt. Zugleich ist das Kurzarbeitergeld bis heute eine sehr wichtige Maßnahme, um finanziell handlungsfähig zu bleiben und auf Stellenabbau größtenteils verzichten zu können. Aber gleichzeitig ist es für die Mitarbeiter natürlich auch mit finanziellen Einbußen und einer enormen psychischen Belastung verbunden.
Mit den Buchungs- und Umsatzzahlen unseres Hotels auf Sylt sind wir seit der Wiederöffnung Mitte Mai zunehmend sehr zufrieden. Bei Mallorca ist es deutlich schwieriger, da wir erst ab Anfang Juli wieder „Normalität“ hatten, die leider durch die Reisewarnungen der Engländer und jetzt der Deutschen und Österreicher seit Ende Juli zerstört wurde. Eine Schließung des Hotels planen wir derzeit allerdings nicht. Seit Jahren gehört das Lindner Golf Resort in Portals Nous zu den wenigen Hotels, die auch in der Nebensaison ganzjährig geöffnet sind und unser Geschäftsmodell wird daher auch die aktuelle Lage meistern. Für das Lindner Hotel Windrose auf Sylt haben wir noch Umbaupläne, die wir vor einigen Wochen gemeinsam mit dem Eigentümervertreter, der Paribus-Gruppe aus Hamburg, der Gemeinde Wenningstedt vorgestellt, aber noch nicht finalisiert haben.
Persönlich habe ich während des Lockdowns extrem viel und sehr konzentriert gearbeitet. Und zwar jeden Tag im Büro, weil für mich der direkte Kontakt zu den wenigen verbliebenen Kollegen durch kein Online-Tool der Welt zu ersetzen ist und wir in unseren Räumlichkeiten genügend Platz für die Abstandsregeln haben. Schön fand ich, dass meine Tochter während dieser Zeit ihre Masterarbeit in einem Büro bei uns in der Hauptverwaltung geschrieben hat, so dass ich sie viel häufiger in meiner Nähe hatte als zu „normalen“ Zeiten. Ansonsten hat Sport meinen Tagesablauf bestimmt.“