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WALE-WATCHING VOM BIKER-SATTEL

Sylt komplettiert zu Ostern seine jüngste Natur-Attraktion für Gäste und Einheimische: 40 Kilometer „Wal-Pfad“ entlang des Weststrandes sind dann mit 22 Info-Tafeln bestückt

von PETER LAMPRECHT

Es war ein blutiges Handwerk, mit dem Männer von der Insel Sylt gut 200 Jahre lang ihre Familien ernährten. Rund jeder Zehnte von ihnen ließ bei der Jagd auf Großwale sein Leben. Nun, mehr als 150 Jahre später, spielen diese Meeressäuger erneut eine wichtige Rolle für Sylt. Aber diesmal werden sie nicht gejagt. Im Gegenteil. Sie stehen unter besonderem Schutz, und dabei wirken sie auch noch als lebende Publikumsmagneten.

Bis heute können Sylt-Gäste im Heimatmuseum Keitum Spuren aus der Walfänger-Zeit besichtigen, die von 1650 bis 1850 dauerte. Es waren harte Zeiten, weil die Landwirtschaft wenig einbrachte und der Heringsfang zusammengebrochen war. Dann aber war die Arbeit der Walfänger so gründlich getan, dass sich die Ausfahrt in die fernen Jagdreviere nicht mehr lohnte: Die riesigen Meeressäuger waren nahezu ausgerottet.

Kleine Wale gab es schon immer in der Nordsee. Aber vor Sylt tauchten sie nach langer Abwesenheit erst Anfang der 1990iger Jahren wieder vermehrt auf. Besonders das Meer vor den Stränden der Insel Sylt hat dadurch eine neue Anziehungskraft auf naturbewusste Gäste. Seit 1999 ist dieses Meeresgebiet, das sich bis zur 12 Seemeilengrenze und südlich von Amrum erstreckt, offiziell als „Walschutzgebiet des Nationalpark Wattenmeer“ deklariert. Impulse dazu gingen ganz wesentlich auch von der Schutzstation Wattenmeer auf Sylt aus. Es ist Europas erste Schutzzone speziell für Kleinwale und das größte Schutzgebiet Deutschlands.

Eine der 22 Info-Stelen, die entlang des Wal-Pfades aufgestellt wurden
FOTO © LOTHAR KOCH

Im 1562 qkm grossen Walschutzgebiet vor den Inseln Sylt und Amrum bewegen sich statistisch hochgerechnet rund 6000 Schweinswale. Im Juni kalben hier Walmütter und ziehen mit ihrem Nachwuchs bis in die strandnahen die Priele von Sylt. Denn dort tummeln genügend nahrhafte Kleinfische, die den Heisshunger der Mutterwale stillen und ihnen nach der Säugezeit Gelegenheit geben, dem Walnachwuchs das Jagen beizubringen. Mehrmals täglich kann es geschehen, dass Badende plötzlich Dreiecksflossen auf der Wasseroberfläche entdecken und im ersten Schreck ausrufen: „Ein Hai, ein Hai!“ Keine Panik! Es sind nur die bis zu 1,80 Meter großen, völlig harmlosen Schweinswale. Sie gehören inzwischen zu den besonders beliebten Attraktionen für Gäste aus dem Binnenland, vor allem von Rhein und Ruhr. Ironie des Schicksals: Nach über 200 Jahren helfen Wale den Syltern erneut bei ihrer Existenzsicherung, aber diesmal unblutig und freudvoll!

Gewoehnlicher Schweinswal, Eco Mare, De Koog, Texel, Niederlande (Phocoena phocoena) | Verwendung weltweit

Einen neuen Höhepunkt des Whale-Watchings nach Sylter Art gibt es in diesem Jahr zu bestaunen. Der im vergangenen Jahr begonnene „Sylter Wal-Pfad“ entlang des 40 Kilometer langen Weststrandes soll komplettiert werden. Die 22 interaktiven und ganz individuell gestalteten Info-Stelen und -Pulte berichten über Leben und Schutz der Schweinswale, informieren über Sylter Robben, Hochseevögel und Küstenschutz und geben zudem weitere Hinweise zum „Weltnaturerbe Wattenmeer“, das die Insel umgibt. Jede Infotafel hat einen eigenen Themenschwerpunkt und von jeder ist es möglich, einen Kleinwal zu sichten – Whale-Watching vom Biker-Sattel, eine tolle Attraktion für alle Naturfreunde!

AUGEN AUF, DIE WALE SCHWIMMEN EIN!

LOTHAR KOCH, MEERESBIOLOGE AUF SYLT, BERICHTET IM INTERVIEW ÜBER PERSPEKTIVEN 2018 FÜR WALSCHÜTZER UND FÜR SYLT-GÄSTE

Koch leistete seit 1987 als Biologe bei der Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer e.V. Pionierarbeit für die Errichtung des Walschutzgebietes im Nationalparks Wattenmeer. Heute informiert er als NaturReporter in seinem Blog www.natuerlichsylt.de über alle Umweltthemen, die Sylt und das Meer betreffen. Auch als Buchautor hilft er, Sylter Natur besser wahrzunehmen und Zusammenhänge zu verstehen. Als Buchautor legt er den ersten Naturerlebnisführer der Insel vor (Natürlich Sylt, Feldhaus Verlag) und sein aussergewöhnlichen Roman „Syltopia“, die Öko-Utopie, „haltbar bis zum Jahr 2050“ (www.syltopia.de), ist ein insularer Kult-Seller. Lothar Koch gilt als ein konstanter „Motor“ für die Umsetzung und Verbesserung des Walschutzgebietes. Natürlich ist er auch bei der Konzeption des neuen Wal-Pfades für Radler maßgeblich beteiligt. Im Interview beantwortet Lothar Koch Fragen zum Meeresschutzes rund um Sylt.

MyiLands: Wie steht es 2018 eigentlich um Ihre Projekte?

Lothar Koch: Voraussichtlich wird etwa um Ostern der neue Sylter Walpfad fertig. Wir sind in der Endphase, was die Produktion der restlichen zwölf Info-Tafeln und Stelen angeht.

Wer genau ist „Wir“?

Das ist eine kleine Arbeitsgruppe von Experten aus dem Nationalparkamt, dem Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt und der Schutzstation Wattenmeer in Kooperation mit der Designerfirma „Naturerleben“. Die Infopunkte sind allesamt Unikate hinsichtlich der Informationen zum Walschutzgebiet, den Meeressäugern und Hochseevögeln im Gebiet, zudem auch zu den Küstenschutzmaßnahmen vor Sylt. Daher lohnt es sich, den Walpfad mit dem Bike oder e-Bike von List bis Hörnum abzuradeln. Und wir werden den Anreiz dazu noch einmal steigern.

Worum geht es dabei?

In Kooperation mit der Whale and Dolphin Conservation Society (WDC) werden wir einige Wochen nach Ostern zusätzlich einen interaktiven Geo-Coaching-Parcours anlegen und eröffnen, der mit Fragen zu den Waltafeln bestückt wird und letztendlich in die Natur-Informationszentren der Insel führt. Naturfreunde und Wal-Spezis werden deshalb 2018 hier besonders auf ihre Kosten kommen.

Diese Karte zeigt die Ausdehnung der Walschutzgebiete um die Nordfriesischen Inseln

Gibt es eigentlich Unterstützung durch Kommunen und Land für Ihre Bemühungen?

Das Land hat den Walpfad finanziert. Nun wären die Sylter Kommunen an der Reihe, die Stelen und Infotafeln durch weitere Attraktionen zu ergänzen. Ich denke an Walskulpturen, Audio-Erlebnispunkte, themenbezogene Spielgeräte und Ähnliches. Hinzu wäre weiteres Engagement für den Walschutz wünschenswert. Ich schlage vor, dass die Gemeinden und ihre touristischen Einrichtungen Patenschaften für den bislang ungeschützten 150-Meter-Streifen vom Strand bis zum Beginn des Walschutzgebietes übernehmen. Es geht darum, auch in diesem touristisch und sportlich genutzten Bereich die Erfordernisse des Walschutzes mehr als bisher mitzudenken.

Und was kann der Bund tun, um die Walschutzgebiete abzusichern?

Der Bund wird dieses Jahr noch die Befahrensregelung für den Nationalpark, damit auch für das Walschutzgebiet, novellieren. Bisher hat allein Deutschland die für die Wale gefährliche Stellnetzfischerei in diesem Bereich eingedämmt, aber das gilt nicht für Dänen und Holländer, die ebenfalls hier fischen. Da ist die EU gefragt nachzubessern.

Es geht ja wohl auch um das Zuschneiden von Nutzungszonen im Walschutzgebiet, um die Sorge bei Walschützern wegen der zunehmenden Wassersportaktivitäten. Zum Beispiel gab es 2017 Reibungsflächen mit dem Verband der Kitesurfer, die sich als gleichberechtigte Nutzer des Seegebietes sehen. Fürchten Sie weitere solche Konflikte mit anderen Wassersportlern?

Bislang nicht. Aber eine gewisse Gefahr besteht, wenn weitere motorisierte Wassersportgeräte „im Handtaschenformat“ auf den Markt kommen, wie E-Surfbretter oder Schwimmhilfen mit Motorkraft. Wenn die zum Trend würden, wären sie bislang nur schlecht zu reglementieren.

Welche Ausblicke erwarten eigentlich Interessierte auf dem Walpfad in den Monaten bis zum Sommeranfang, was gibt es jetzt schon zu sehen von den Walen vor Sylt?

Nach weitgehender Abwesenheit im Winter steigt in den Frühjahrsmonaten die Zahl der Schweinswale, die in die strandnahen Bereich einschwimmen. Bei glattem Wasser und Ostwind sind sie besonders gut auszumachen. Ab Ende Mai schon auch zunehmend ganze Gruppen von Walmüttern mit ihren Kälbern, weil die Tiere ihren Nachwuchs in die wärmeren und kleinfischreichen Prielen führen.

Syltopia – Lothar Kochs Roman als Print- und als e-Version FOTO © LOTHAR KOCH

 

 

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